Alle reden von Headless Commerce. Was viele jedoch nicht wissen: „Headless” ist nicht gleich headless. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Shopsystemen, die beispielsweise nur eine Headless-Anbindung des Frontends anbieten und Commerce-Plattformen, die bereits im Backend eine erweiterte Flexibilität und Skalierbarkeit aufweisen. Diese Plattformen basieren auf einer modularen Architektur und machen Modular Commerce zu einer interessanten Alternative zum herkömmlichen Headless Commerce. Denn: Modulare Systeme sind zwar headless, aber nicht alle Headless-Lösungen sind auch modular. Welches System bietet jedoch für wen die größten Vorteile? Das schauen wir uns im Vergleich zu traditionellen Shopsystemen nun etwas genauer an.

Traditionelle Shopsysteme: Eingeschränkt durch Abhängigkeiten

In einem klassischen monolithischen Shopsystem sind Backend und Frontend eng miteinander verzahnt. Das bedeutet: Die einzelnen Komponenten des Systems unterliegen zahlreichen Abhängigkeiten. Änderungen am Frontend haben meist auch direkte Auswirkungen auf andere Bereiche des Systems. So sind dann z.B. auch Anpassungen im Backend, CMS oder Checkout nötig. Updates werden daher zeitintensiver und oft auch teurer. Das ganze System wird fehleranfälliger. Nutzt man ein traditionelles Shopsystem als Komplettlösung ohne es stärker zu individualisieren, funktioniert das meist ziemlich gut. Daher bevorzugen insbesondere kleine Shops diese Lösung.

Größere Unternehmen benötigen hingegen einen höheren Individualisierungsgrad, der auch skaliert. Sie verkaufen nicht nur eine Vielzahl von Produkten an verschiedene Zielgruppen. Sie nutzen unterschiedlichste Verkaufskanäle und Tools, die mehr Flexibilität voraussetzen, sodass große Unternehmen mit einem traditionellen Shopsystem schnell an ihre Grenzen stoßen. Für sie lohnt sich oft der Umstieg auf Headless oder Modular Commerce.

Headless Commerce: Effizient durch Trennung

Der grundlegendste Unterschied zwischen einem traditionellen und einem headless System ist seine Architektur. Backend und Frontend sind entkoppelt und lassen sich unabhängig voneinander weiterentwickeln. Der Austausch von Daten erfolgt über APIs (Schnittstellen). Alle Informationen werden vom Backend zentral und einheitlich zur Verfügung gestellt. Wie das Frontend diese Daten dann interpretiert, wird nicht im Backend festgelegt, sondern im Frontend. Auf diese Weise kann zum Beispiel die Website optisch neu gestaltet werden, ohne größere Änderungen im Backend vornehmen zu müssen.

Headless Commerce ist für viele eCommerce-Unternehmen bereits unverzichtbar. Und für viele reicht ein einfacher Headless-Ansatz auch aus – insbesondere dann, wenn es gilt den Status Quo zu erhalten oder einige neue Funktionen hinzuzufügen. Wachstumsstarke Online- und Omnichannel-Händler unterliegen jedoch speziellen Anforderungen. Denn hier geht es ganz konkret um Geschwindigkeit, Performance und Skalierbarkeit. Nahtlose Synchronisierung. Automatisierung. Einbindung von optimierten Prozessen. Grundsätzlich bietet Headless Commerce hierfür bereits gute Grundvoraussetzungen. Der Teufel steckt jedoch im Detail.

Modular Commerce: Maximal flexibel durch Module

Der Name lässt es bereits vermuten: Ein modulares System ist darauf ausgerichtet, verschiedene Module ans Backend anzuschließen. Diese Module werden gekapselt eingebunden, d.h. sie arbeiten unabhängig voneinander und werden unabhängig voneinander gewartet. Das beschleunigt Updates, reduziert die Fehleranfälligkeit und erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit. Je nach Bedarf können Module hinzugefügt oder wieder entfernt werden. Sie tauschen Daten über Schnittstellen (API) aus und übernehmen im Backend verschiedene erweiterte Funktionen.

Mögliche Module sind zum Beispiel:

  • Product Information Management (PIM)
  • A/B-Testing
  • Dynamic Pricing
  • Promotion Management
  • Personalisierung
  • Bestellmanagement
  • Checkout & Zahlungsabwicklung
  • BI-Tools
  • Risiko & Bonitätsprüfung

An die Schnittstellen eines modularen Shopsystems können Unternehmen auch ihre eigenen Module andocken und müssen nicht auf bewährte Lösungen verzichten, die bereits im Einsatz sind. Wer auf eine „Best-of-Breed”-Strategie setzt, kann diese so optimal umsetzen und nutzt nur das, was die eigenen Unternehmensziele auch voranbringt. Insbesondere Omnichannel-Händler können von diesem Ansatz profitieren, da er maximale Flexibilität mit sich bringt, z.B. beim Integrieren neuer Touchpoints wie Pop-up-Stores. Das stärkt die Agilität des Unternehmens, aber auch einzelner Teams, die eigenständiger arbeiten können, wenn Modul-Updates nicht das ganze System berühren.

Diese Vorteile überzeugen anscheinend auch die Experten: Das Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner sagt für das Jahr 2024 voraus, dass 30 Prozent der Organisationen eine modulare Architektur für ihre eCommerce-Anwendungen nutzen werden.

Headless und modular: Die beste Option?

Ein Shopsystem mit einem modularen Headless-Ansatz ist besonders vielversprechend für schnell wachsende Unternehmen, die sich eine agile und anpassbare Lösung wünschen. Diese kann mit ihnen mitwachsen und entspricht so immer den aktuellen Anforderungen. Auch wer international expandiert oder in einer schnelllebigen Branche unterwegs ist, profitiert von der Flexibilität dieses Ansatzes.

Ein modulares Headless-System kann jedoch auch extrem ressourcenintensiv sein – insbesondere dann, wenn man das System selbst warten muss, wie z.B. bei einer On-Premise-Lösung. Frontend und Backend werden unabhängig voneinander entwickelt und gewartet. Das erhöht die Flexibilität, erfordert aber mitunter eine gewisse Anzahl von Entwicklern, die das ermöglichen. Cloud-Lösungen erfordern dagegen weit weniger Eigenaufwand. Sie werden vom Anbieter gewartet und bieten das Hosting inklusive.

Für Unternehmen kann der Wechsel außerdem einige strukturelle und kulturelle Veränderungen mit sich bringen. Da die einzelnen Module weitgehend unabhängig voneinander sind, lohnen sich oft kleinere, agile Teams mit klar abgegrenztem Verantwortungsbereich. Das wird in einigen Fällen eine Umstrukturierung nötig machen, die etwas Zeit braucht. Rollen werden neu geschaffen und besetzt, Mitarbeiter müssen sich unter Umständen noch mehr spezialisieren. Diese Transformation ist eine Herausforderung, aber auch eine große Chance.

Wie immer ist eine genaue Abwägung wichtig: Wie hoch ist die Total Cost of Ownership und welche Vorteile ergeben sich durch den Schritt? Lohnt sich der Wechsel bei genauerer Betrachtung immer noch? Neben der aktuellen Lage spielt auch die langfristige Strategie eine Rolle. Ist zum Beispiel in den nächsten Jahren eine Expansion geplant? Oder zeichnen sich Veränderungen auf dem Markt ab, die einen modularen Ansatz unverzichtbar machen könnten? Dann ist ein früher Wechsel ratsam, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu sichern.

Fazit: Welcher Ansatz passt zu wem?

Für kleine Shops ist meist eindeutig ein traditionelles Shopsystem ausreichend, da sich der strukturelle und personelle Aufwand der anderen Ansätze kaum lohnt. Headless Commerce kann bereits viele Anforderungen für größere Shops erfüllen, wenn sich das Unternehmen ein gewisses Maß an Flexibilität wünscht. In diesem Fall sollte sich das Unternehmen aber über die jetzt und künftig benötigten Anforderungen bereits im Klaren sein.

Im Vergleich dazu wird Modular Commerce dann spannend, wenn Skalierbarkeit eine große Rolle spielt und sich die Funktionen (und damit Module) immer wieder ändern können. Unternehmen sollten ihre Bedürfnisse analysieren und die Kosten für System und interne Aufwände überschlagen. So erkennen sie, ob sich der Ansatz für sie lohnt. Bei der Auswahl des richtigen Anbieters spielt unter anderem eine Rolle, welche Module dort verfügbar sind und wie gut sich eigene Module integrieren lassen.

Was ist der Unterschied zwischen Modular Commerce und Composable Commerce?

Composable Commerce bezieht sich auf Architekturen, die – wie der Name bereits verrät – aus einer Zusammensetzung von Einzelkomponenten bestehen. Die Unterteilung in diese Komponenten kann unterschiedlich granular umgesetzt werden: Sehr kleinteilig in Microservices, was sich lohnt, wenn man, zum Beispiel im B2B-Bereich, sehr spezielle Use Cases benötigt. Oder in je nach Funktion zusammengefasste Module, womit wir bei Modular Commerce angekommen wären. Diese Modularität ermöglicht es, die einzelnen unabhängig voneinander agierenden Backend-Services je nach Bedarf zu wählen und auszutauschen. Modular Commerce ist also eine mögliche Umsetzung von Composable Commerce.